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10. Mai

Jahresgutachten des SVR 2022: Migration als Herausforderung und Stütze für die Gesundheitsversorgung in Deutschland

"Systemrelevant: Migration als Herausforderung und Stütze für die Gesundheitsversorgung in
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10.05.2022

Jahresgutachten des SVR 2022: Migration als Herausforderung und Stütze für die Gesundheitsversorgung in Deutschland

"Systemrelevant: Migration als Herausforderung und Stütze für die Gesundheitsversorgung in Deutschland" ist der Titel des neu erschienenen Jahresgutachtens des SVR, das am 10.05.2022 einem breiten Fachpublikum aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft vorgestellt wurde. Es untersucht die Rolle von Migrant*innen im deutschen Gesundheitssystem sowie die Herausforderungen, die mit der Zuwanderung von Gesundheitsfachkräften verbunden sind. Ein Grußwort hielt Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat.
Foto: SVR/Michael Setzpfandt
Die Zahl der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund in den Gesundheits- und Pflegeberufen nahm in den letzten Jahren stark zu. Fast ein Viertel der Erwerbstätigen im Gesundheitswesen hat einen Migrationshintergrund, in der Altenpflege und unter Ärzt*innen ist der Anteil noch höher. Die große Mehrheit von ihnen sind Frauen und viele stammen aus Ost- und Südosteuropa, aber auch immer mehr Menschen aus den wichtigsten Asylherkunftsländern arbeiten in Gesundheits- und Pflegeberufen. Syrien ist heute das wichtigste Herkunftsland ausländischer Ärzt*innen. Mit Blick auf ihre eigene gesundheitliche Lage sind Menschen mit Migrationshintergrund besonderen Hürden und Diskriminierungen ausgesetzt, auch wenn sozioökonomische Faktoren eine größere Rolle spielen.

Obwohl die ausländischen Fachkräfte im Gesundheitswesen – wie nicht erst seit der Corona-Krise deutlich wurde – dringend gebraucht werden und der Mangel angesichts des demografischen Wandels weiter steigen wird, müssen sie bislang in langen, aufwändigen und intransparenten Verfahren ihren Abschluss und ihre Qualifikationen anerkennen lassen und zusätzliche Nachweise wie Sprachkenntnisse erbringen. Die Entscheidungen sind uneinheitlich und länderspezifisch, zudem fehlt es an Personal für eine rasche Bearbeitung sowie an nutzerfreundlichen Informationsangeboten.

Effizienz, Transparenz und Fairness

"Wir brauchen einen Effizienz- und Transparenzschub", resümiert Prof. Petra Bendel, Vorsitzende des SVR, mit Blick auf die Erkenntnisse des Jahresgutachtens - etwa durch eine Bündelung der Zuständigkeiten für die Anerkennung im Gesundheitsbereich innerhalb der Länder, modulare Anpassungslehrgänge sowie eine umfassende Digitalisierung der Verfahren.

Daneben spricht sich der SVR dafür aus, verstärkt bereits Auszubildende anzuwerben, um komplizierte Nachqualifizierungen zu umgehen und früh eine soziale und betriebliche Integration zu ermöglichen.

Bei allen Anwerbemaßnahmen sei es zentral, auf Fairness zu achten und nicht nur die Interessen des Aufnahmelandes, sondern auch die des Herkunftslandes und des Fachpersonals selbst zu berücksichtigen. So sollten Fachkräfte im Gesundheitswesen nur in solchen Ländern aktiv rekrutiert werden, wo es ein Überangebot gibt. Gegenwärtig zeigt die Situation in Ländern wie Bosnien und Herzegowina, dass trotz "Triple Win"-Abkommen die Realität oft anders aussieht und fast eine gesamte Generation an Pflegekräften ausgewandert ist.

Fachkräften solle durch entsprechende Qualifizierungen ermöglicht werden, sowohl im Herkunfts- als auch im Aufnahmeland zu arbeiten und vor unseriös arbeitenden privaten Vermittlungsagenturen besser geschützt werden.

Die Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. h.c. Christel Bienstein (Deutscher Berufsverbands für Pflegeberufe), Isabell Halletz (Arbeitgeberverbands Pflege), Kristin Hecker (IQ-Fachstelle Beratung und Qualifizierung am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung) und Stephan Heuke (Bundesagentur für Arbeit) als Vertreter*innen der Praxis bestätigte den bestehenden Verbesserungsbedarf bei den Anerkennungsverfahren.

Fachkräfte nicht nur anwerben, auch halten

Gleichzeitig betonten die Expert*innen, dass die Wahrung von Qualitätsstandards gerade im Gesundheitswesen unabdingbar ist und der Arbeitsalltag für die ausländischen Gesundheitsfachkräfte - teilweise kulturell bedingt - vielfache Herausforderungen bereithält.

So ist die Pflegeausbildung in vielen Ländern weitaus akademischer ausgerichtet als in Deutschland, sodass den Fachkräften einerseits manches Praxiswissen fehlt und sie sich andererseits hier mit ihren Aufgaben mithin unterfordert fühlen. Die Sprache bleibt lange eine zentrale Hürde, selbst mit einem B2-, also fortgeschritten mittlerem Sprachniveau, sei die Kommunikation mit Patient*innen und Angehörigen schwierig. Auch Diskriminierung und Rassismus gehören zu den Erfahrungen der ausländischen Fachkräfte, befördert durch den massiven (Zeit-)druck, der in diesem Arbeitsfeld herrscht. Dass gerade dieses Thema - auf allen Ebenen des Gesundheitssystems - noch stärker in den Blick genommen werden und die migrantische Perspektive stärker einbezogen werden muss, forderten viele Stimmen aus dem Publikum. Auch empirische Forschung gibt es hierzu bislang kaum.

Eine zentrale Herausforderung sei es also, Fachkräfte nicht nur anzuwerben, sondern auch im Land zu halten, betonte Prof. Bendel. Hierfür muss das Gesundheitswesen als Arbeitsfeld insgesamt attraktiver werden – für Fachkräfte aus dem Ausland, aber auch für bereits hier lebende Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Denn, so eine Kernbotschaft des Gutachtens: Eine diversitätssensible Gesundheitsversorgung kommt allen zugute.

Zum Jahresgutachten hier

Der Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) wird seit dem 01.01.2021 als unabhängige Einrichtung der Politikberatung von der Bundesregierung getragen. Er knüpft an die Arbeit des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration an, der 2008 von einem Konsortium privater Stiftungen, darunter die Freudenberg Stiftung, gegründet wurde.