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13. Juli

IDZ-Analyse: "Die Klimabewegung" und ihre Online-Kommunikationsstrategien

Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) gibt in seinem Projekt "Digital Awareness" einen vierteiligen Digitalbericht heraus. Im Fokus steht die Frage des
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13.07.2023

IDZ-Analyse: "Die Klimabewegung" und ihre Online-Kommunikationsstrategien

Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) gibt in seinem Projekt "Digital Awareness" einen vierteiligen Digitalbericht heraus. Im Fokus steht die Frage des Klimaschutzes als zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung, an der sich Gesellschaften und Gemeinschaften spalten können. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, wie es Akteur*innen der Klimaschutzbewegung in ihrer Online-Kommunikation gelingt, ein gemeinsames Problemverständnis und Zustimmung zu Problemlösungen zu gewinnen. Also gerade nicht polarisierend zu kommunizieren, sondern Zusammenhalt über das Anpacken und Bewältigen der Klimakrise zu erzeugen und damit zu verhindern, dass sich die Klimakrise zu einer Demokratiekrise auswächst.
Foto: IDZ Jena
Zunächst eine Übersicht über die vier Teile:
In Teil I wird eine Einordnung der heterogenen Klimabewegung vorgenommen, die Rolle von sozialen Medien besprochen und unsere Datengrundlage – 17 plattformübergreifende Quellensets verschiedener Akteur*innen – vorgestellt. In einer ersten quantitativen Analyse wird anhand sogenannter sozialer Interaktionen deren Online-Performance analysiert.
Teil II fokussiert die inhaltliche Schwerpunktsetzung der unterschiedlichen Gruppen, untersucht deren kommunikative Strategie und öffentliche Ansprache und arbeitet so unterschiedliche Ansätze und mögliche Vernetzungspotenziale innerhalb der Klimabewegung heraus.
In Teil III wird anhand der Online-Kommunikation zum Volksentscheid "Berlin 2030 klimaneutral" exemplarisch ein konkreter Mobilisierungsmoment untersucht. Dabei werden die Kampagnen klimaprogressiver Akteur*innen ebenso wie die umfangreiche Gegenmobilisierung in den Blick genommen.
Teil IV widmet sich dem medialen Framing der Klimabewegung. Dabei wird insbesondere untersucht, wie verschiedene Nachrichtenportale – von desinformativen und rechtsalternativen Online-Seiten über die Publikationsorgane von Springer (BILD, WELT) bis hin zu öffentlich-rechtlichen Medien – die Klimabewegung besprechen, welche Sprache verwendet und wie von bestimmten Akteur*innen das Thema der Radikalisierung instrumentalisiert wird.

Teil I:
Die Autoren halten fest, dass unter dem Begriff "Klimabewegung" in Deutschland sowohl Klimaschutzgruppen als auch Naturschutzorganisationen subsumiert werden. Die sehr heterogene Gruppe setzt sich aus verschiedenen Organisationen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen und Institutionen zusammen, die jeweils große Unterschiede in ihren Strategie, Zielen und Themenschwerpunkten vorweisen. Zwar haben soziale Medien einen unterschiedlich großen Stellenwert für die jeweiligen Klimaakteur*innen und deren Handlungs- und Kommunikationsstrategie, insgesamt spielen sie aber eine zentrale Rolle:

"Sie dienen der Mobilisierung für Demonstrationen und Protestaktionen, sind Sprachrohr, um ein möglichst breites Publikum zu mehr Engagement im Klimaschutz zu ermutigen, dienen der Kommunikation von politischen Forderungen und der Anbahnung strategischer Bündnisse und können selbst als primärer Protestkanal fungieren."

Das IDZ hält fest, eine hohe Anzahl an Nutzer*innen auf einer Plattform und damit eine potenziell große Reichweite ist nicht gleichbedeutend mit Effektivität in der politisch-gesellschaftlichen Kommunikation und der Mobilisierung. Auch die Account- und Plattformabdeckung der Akteur*innen lässt keine direkten Schlüsse auf den Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs und dem Erfolg der Mobilisierung zu. Darüber geben neben den inhaltlichen wie kommunikativen Strategien, vor allem Parameter wie sogenannte Social Interactions Aufschluss (das sind z.B. Likes, Shares, Retweets und Kommentare). So wird mit einem Like die Zustimmung oder Wichtigkeit des Inhalts ausgedrückt, durch Shares und Retweets verbreitet man Inhalte und erhöht ihre Reichweite. Die Social Interactions sind also Indikatoren für ein bestimmtes Maß an Involviertheit mit dem jeweiligen Inhalt und damit Zeichen einer gewissen diskursiven "Popularität".

Während beispielsweise Fridays for Future die größte Accountabdeckung hat und deutschlandweit flächendeckend vertreten ist, dementsprechend ihre Inhalte auch regional anpassen kann, hatte während des Untersuchungszeitraums die Letzte Generation nur jeweils einen Account auf Facebook, Twitter und Instagram. Trotzdem gelang es der Letzten Generation mit diesen drei zentralen Accounts, eine große Anzahl an Interaktionen zu generieren und Aufmerksamkeit auf ihre Inhalte zu lenken.

NABU, BUND und Naturfreunde setzten ihren Fokus hingegen auf eine einzelne Plattform, nämlich Facebook. Auf Facebook herrscht bezüglich der Social Interactions eine andere Praxis als auf Twitter und Instagram, wo im Plattformvergleich Retweets bzw. Likes besonders häufig vergeben werden. In der Summe werden auf Facebook deutlich weniger solche Interaktionen hervorgerufen. Dennoch liegt die Plattform bei der wöchentlichen Nutzung nach wie vor vorne.

Einzelpersonen hingegen wie Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen konzentrierten ihre Social-Media-Aktivitäten hauptsächlich auf Twitter und erzielen mit Abstand die meisten Interaktionen. Einzelpersonen wie z.B. Luisa Neubauer weisen mit personalisierten Inhalten besonders hohe Interaktionswerte auf und haben einen starken Einfluss auf den Online-Diskurs. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass Twitter als meinungsprägendes Medium gilt, da hier besonders viele Politiker*innen, Medienschaffende, Forschende vertreten sind, die die öffentliche Debattenlandschaft maßgeblich mitprägen.

Als Datengrundlage dienen den Forschern des IDZ 17 plattformübergreifende Quellensets verschiedener Klimaakteur*innen, die über das kommerzielle Social-Listening-Tool Linkfluence auf den Plattformen Facebook, Twitter und Instagram erstellt und mit insgesamt 1621 Social-Media-Accounts zusammengefasst wurden. Dabei kommen neben quantitativen Methoden auch qualitative Einschätzungen zur Anwendung. Zugleich betonen die Autoren, dass die Analyse lediglich einen kleinen Ausschnitt der Kommunikationsstrategien abbilden kann, da andere Plattformen und auch analoge Formate keine Berücksichtigung fanden.

Zum Teil I des Digitalbericht des IDZ Jena hier.

Die Freudenberg Stiftung fördert das Projekt "Digital Awareness" des IDZ Jena, das Debatten im digitalen Raum untersucht, um auf dieser Grundlage die gemeinschaftsstiftende Kommunikation zivilgesellschaftlicher Organisationen evidenzbasiert zu stärken.